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Sessionsrückblick der August-Session vom 31. August bis 3. September 2022

von Maurus Tomaschett, Grossrat Kreis Ruis*

Das Wichtigste in Kürze:

Am ersten Tag der Augustsession fand wie üblich am Vormittag die Fraktionssitzung statt. Am Nachmittag hat die Alterspräsidentin die Session eröffnet und die Wahl des Standes- und Standesvizepräsidenten vorgenommen.

Am zweiten Tag wurden die zwei neuen Regierungsmitglieder Carmelia Maissen und Martin Bühler vereidigt, die Teilrevision des Personalgesetzes durchberaten und das totalrevidierte ÖV-Gesetz diskutiert.

Am dritten Tag der Augustsession hat das Bündner Parlament eine dringliche Anfrage zur Energiekrise behandelt und das ÖV-Gesetz debattiert sowie diverse Fragen während der Fragestunde beantwortet.

Am vierten und letzten Tag der Augustsession hat der Grosse Rat drei Anfragen behandelt und danach in Davos den Standespräsidenten gefeiert.

Nicht weniger wichtig, nur ausführlicher

Eröffnung der Augustsession

Beginnt im Bündner Parlament eine neue Legislaturperiode, eröffnet jeweils jenes Ratsmitglied die Session, das am längsten im Rat sitzt. So hat SP-Grossrätin Beatrice Baselgia am Mittwoch die Augustsession eröffnet. Das Parlament ist mit 55 neu gewählten Mitgliedern erneuert worden. Zum anderen ist das Parlament durch den neuen Wahlmodus jetzt jünger. Das Medianalter liegt nun bei 51 Jahren, wie Baselgia feststellte. Das neue System hat aber noch eine dritte Auswirkung. 27 Grossrätinnen und Grossräte, die wieder angetreten waren, wurden nicht wiedergewählt. Sie gehören nicht mehr zu den “Hasen“, die in einem Parlament mitarbeiten dürfen.

Wahl des Standespräsidenten und Standesvizepräsidenten

Brust raus und hoch mit den drei Schwurfingern für das neue Amt.

Der Grosse Rat hat den Davoser FDP-Politiker Tarzisius Caviezel zum Auftakt der Augustsession mit 106 von 113 Stimmen zum Standespräsidenten gewählt. Er wird das Bündner Parlament nun für ein Jahr leiten. Die Mitte durfte für die kommende Legislatur das Vizepräsidium des Grossen Rates stellen. An der Fraktionssitzung unserer Mitte Partei in Scuol, in welcher die Augustsession vorberaten wurde, hat sich Franz Sepp Caluori für das Amt als Vizepräsidenten des Grossen Rates zur Verfügung gestellt. Somit wurde er an der Session von der Mitte nominiert und mit 111 von 116 gültigen Stimmen von den Ratsmitgliedern zum Standesvizepräsidenten gewählt.

Anmerkung der Redaktion: Cordiala gratulaziun car Seppo, cun tia moda e maniera simpatica vegnas ti a menar il Cussegl grond cun grond respect e toleranza, sco quei che nossa Allianza dil Center ei halt.

Im August wurden traditionsgemäss auch die ständigen Kommissionen neu besetzt. Die Mitte Graubünden darf durch ihre Grösse die meisten Kommissionssitze besetzen.

Teilrevision des Gesetzes über das Arbeitsverhältnis der Mitarbeitenden des Kantons Graubünden (Personalgesetz, PG)

Es ist das erste Geschäft, das der frisch vereidigte Grosse Rat in der Augustsession behandelte. Das Ziel der Vorlage ist, den Kanton zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen. Massnahmen wie eine zusätzliche Ferienwoche, die Förderung von Teilzeitarbeit und die finanzielle Unterstützung für Kinderbetreuung sollen dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

In der Eintretensdebatte wurde die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Vorlage immer wieder betont. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erwarten vom Kanton schliesslich eine hohe Dienstleistungsqualität. Ratsmitglieder verschiedener Fraktionen sprachen sich in ihrer Wortmeldung trotz einiger Vorbehalte für die geplanten Massnahmen aus. Die SVP gab zu bedenken, dass durch das neue Gesetz die Gemeinden und KMU als Arbeitgeberinnen unter Druck geraten. So etwa bei der Ferienfrage. Langjährige Mitarbeitende zu ersetzen, sei nochmals schwieriger als neues Personal zu finden, war seitens der Regierungsbank zu hören. Es müsse dem Kanton etwas wert sein, langjährige und erfahrene Mitarbeiter zu haben und zu halten, so Rathgeb. «Drücken wir doch die Wertschätzung mit dieser verhältnismässig günstigen Lösung aus».

Der Antrag der SVP für die Halbierung des Dienstaltersgeschenks blieb chancenlos und wurde abgelehnt. Während einer langen Debatte stimmte das Parlament der Teilrevision des Personalgesetzes mit 93:24 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Totalrevision Gesetz über den öffentlichen Verkehr im Kanton Graubünden

Das Gesetz über den öffentlichen Verkehr im Kanton Graubünden wurde im Jahr 1994 erlassen und wurde seitdem kaum revidiert. Auf Bundesebene erfolgten in der Zwischenzeit zahlreiche Revisionen. Diese umfassen Bahnreformen sowie die Einführung des Bahninfrastrukturfonds. Überdies wurde die Verordnung über die Abgeltung im regionalen Personenverkehr erlassen. Alle diese Änderungen haben Konsequenzen auf die Bestellung und Finanzierung des öffentlichen Verkehrs im Kanton Graubünden.

Mit der Botschaft zur Totalrevision des Gesetzes über den öffentlichen Verkehr (ÖV) unterbreitet die Regierung dem Grossen Rat ein zukunftsorientiertes Fundament für den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Alle Regionen und Gemeinden im Kanton sollen von einem verbesserten Angebot des öffentlichen Verkehrs profitieren, bei dem neue Mobilitätsformen und Technologien ebenso mitberücksichtigt und gefördert werden wie die Gestaltung von Bahnhofsarealen und spezifische touristische Angebote. Mit der Totalrevision wird ausserdem die Grundlage für eine erhöhte Transparenz im Rahmen der mittelfristigen Planung und langfristigen Steuerung des öffentlichen Verkehrs geschaffen. Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs im Kanton wird demgegenüber unverändert überwiegend durch den Bund und den Kanton getragen. Die Totalrevision hat drei Ziele

  1. Massgeschneiderte Planung und Steuerung des ÖV-Angebots
    Mit der Schaffung einer neuen gesetzlichen Grundlage soll der Planung und Steuerung des ÖV verstärkt Beachtung geschenkt werden. Bei dieser kantonalen Planung sollen sich die Gemeinden, Gemeindeverbände und Regionen über die FahrplanpräsidentInnen der jeweiligen Fahrplanregion einbringen können.
  2. Bedarfsgerechtes und finanzierbares ÖV-Angebot
    Die Kriterien und Richtwerte zur Bestellung des ÖV-Angebots sollen an die neuen gesellschaftlichen, demografischen und ökologischen Bedürfnisse angeglichen werden. Dieses Vorgehen soll der verfassungsmässigen Aufgabe zur Versorgung des Kantonsgebiets mittels eines bedarfsgerechten, umweltschonenden und wirtschaftlichen ÖV-Angebots gerecht werden.
  3. Gezielte Förderung des Öffentlichen Verkehrs
    Die Finanzierungsmechanismen im Bereich der Betriebsbeiträge zur Finanzierung des ÖV-Angebots sollen den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die aufgrund verschiedener Reformen auf Bundesebene neu entstanden sind, angepasst werden.
    Die Totalrevision des Gesetzes über den öffentlichen Verkehr im Kanton Graubünden war im Grossen Rat unbestritten. Die Zustimmung erfolgte kompromisslos.

Zum Start in den Freitagnachmittag ging es um eine dringliche Anfrage zur Energiekrise. Die SVP hat am Mittwoch im Grossen Rat eine dringliche Fraktionsanfrage zu den massiv höheren Strompreisen deponiert. Mit ihrem Vorstoss möchte die SVP von der Regierung wissen, inwiefern die hohen Strompreise Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Kantons haben. Die Ratsmitglieder haben die Anfrage am Donnerstagmorgen für dringlich erklärt. Der Verfasser des Vorstosses befürchtet, dass die hohen Preise insbesondere für Grossbezüger schmerzhaft sein werden und dass deshalb sogar Tourismusstrukturen geschlossen werden müssen.

Nach einer sehr engagierten Debatte konnte diese wie folgt zusammengefasst werden. Der Kanton lanciert eine Plattform für Fragen rund um die Energiekrise denn rund 450 Bündner Betriebe leiden laut Regierung womöglich unter den hohen Strompreisen. Grossbezüger von Strom, die auf dem freien Markt einkaufen, sehen sich zurzeit mit enorm hohen Preisen konfrontiert, was wiederum Mehrkosten auslöst.

In Graubünden seien 400 bis 500 Betriebe von einem hohen Energieverbrauch betroffen, schätzt die Regierung, etwa in der Industrie, im Tourismus oder Grossgewerbe. Abgesichert hat sich die Rhätische Bahn. Der Bahnstrom ist für die nächsten zwei Jahre geregelt. Zudem würden Bund und Kanton die Mehrkosten decken. Um alle Informationen zur Energielage schnell und direkt an die Bevölkerung und die Wirtschaft weiterzuleiten, schaltet der Kanton ab diesem Herbst eine Kommunikationsplattform auf. Sie soll gemäss Regierung als innerkantonale Drehscheibe funktionieren und auch aufzeigen, wo es noch Potenzial gibt.

Am letzten Tag der Augustsession werden jeweils einige wenige Aufträge oder Anfragen behandelt. So auch am Samstag bevor das das Bündner Kantonsparlament zur Standespräsidentenfeier nach Davos reiste.

Als erstes behandelt das Bündner Parlament eine Anfrage von Mitte Grossrat Fabian Collenberg betreffend Abgabe von Kantonsstrassen an Gemeinden. Seit Inkrafttreten des revidierten kantonalen Strassengesetzes 2016 werde der Anspruch auf eine Kantonsstrasse, die Aufnahme ins kantonale Strassennetz sowie der Ausschluss aus dem kantonalen Strassennetz teilweise neu geregelt, erklärte der frischgebackene Grossrat aus Sumvitg. Ebenfalls werden seither die kantonalen Verbindungsstrassen zu den Fraktionen bezüglich der Anspruchsberechtigung periodisch überprüft. Jede Gemeindefraktion hat Anspruch auf eine kantonale Verbindung, sofern sie mindestens 30 Personen mit ständigem Wohnsitz zählt und die Mindesteinwohnerzahl während drei aufeinander folgenden Jahren nachgewiesen ist.

Die Übernahme von Kantonsstrassen bedeutete eine zusätzliche Belastung für die Gemeinden, moniert Collenberg. Da die finanziellen Mittel bei der Spezialfinanzierung Strassen beim Kanton Graubünden vorhanden sind, stellt Collenberg die Frage, ob es förderlich für den Kanton Graubünden sei, die finanzielle Belastung den Gemeinden zu übergeben. Die aktuelle Gesetzgebung berücksichtige ausschliesslich die Einwohnerzahl für die Beurteilung.

Die Regierung argumentierte, dass betroffene Gemeinden bereits bei der Totalrevision des Strassengesetzes im Jahr 2005 eingewandt haben, dass die Totalrevision die schwächsten Gebiete des Kantons treffe, welche bereits übermässig von Umstrukturierungen betroffen seien. Für ausserordentliche Belastungen, welche eine Gemeinde in eine finanzielle Notlage bringen würden, sei ein individueller Härteausgleich vorgesehen.

Für eine interessante Diskussion sorgte weiter die Anfrage unseres Co-Fraktionspräsidenten Martin Bettinaglio aus Serneus. Die Anfrage thematisierte die Wohnungsnot in Graubünden und wünschte von der Regierung eine mögliche Beteiligung durch den Kanton. Mitte Grossrat Bettinaglio stört sich daran, dass die Regierung das kantonale Problem den Gemeinden überlässt.

Mitte Regierungsrat Marcus Caduff gab zu verstehen, dass der Kanton zur Behebung der Problematik beigetragen habe. Er lade interessierte Grossräte ein, beim Amt für Raumentwicklung vorbeizuschauen um bei der Umsetzung der rund 100 Ortsplanrevisionen ihnen über die Schulter zu schauen. Bisher seien von der Regierung vier Ortsplanrevisionen verabschiedet worden. Caduff sagt aber auch, dass er Verständnis habe, dass das Thema Wohnraum für die Gemeinden eine grosse Aufgabe darstellen.

Weiter debattierte das Kantonsparlament über eine Fraktionsanfrage der Mitte betreffend Verhandlungsstärke der Gemeinden in der Wasserkraftstrategie. Kanton und Gemeinden müssen sich zusammen auf die Heimfälle vorbereiten, monierte Grossrat Ernst Sax aus Obersaxen. Er plädierte für eine Plattform für den Austausch von Involvierten und Betroffenen. Der Kanton sei bei jedem Heimfall involviert. Betroffene Gemeinden jedoch jeweils nur einmal. Mit einer Plattform würde das Wissen innerhalb des Kantons steigen, erklärte Sax weiter.

Die nächste Session findet vom 17. bis 19. Oktober 2022 statt.

 

*zum Autor: Maurus Tomaschett aus Breil/Brigels ist seit 2010 Grossrat aus dem Kreis Ruis.

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